Ski the East – Skisafari durch Québec – SkiPresse

Ski the East – Skisafari durch Québec

Auf dem Gipfel des Blanche Lamontagne (940 m), mit Blick auf die Hochebene des Mont Albert © Steve DeschênesAuf dem Blanche Lamontagne (940 m), mit Blick auf den Mont Albert (Gaspésie) © Steve Deschênes

Mit dem Winter kommt auch der Wunsch nach Skiabenteuern in fernen Ländern. Vor allem, wenn sich Frau Holle hierzulande wieder hinter ihren Fensterläden versteckt. Nun, das ist sicherlich nicht des Winters Schuld, vielmehr ein klares Zeichen für den Klimawandel. Weit entfernte Länder passen in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht ins Programm, belasten wir mit Flügen die Umwelt doch noch mehr. Aber sollen wir ganz aufs Reisen verzichten? Wir denken nein, aber sicherlich müssen wir lernen, bewusster zu reisen: Eine genaue Auswahl des Reiseziels, eine längere Reisedauer (lieber einmal für 2-3 Wochen als dreimal für eine!) und dann bevorzugt in Regionen, die nicht allzu übervölkert sind. Wenn Nordamerika auf der Wunschliste steht, dann ist die Ostküste eine denkbare Alternative zu den langen Flügen in die Rocky Mountains. Und warum nicht nach Québec, Kanadas französischsprachige Provinz? Klar, die Region bietet bei weitem nicht das hochalpine Terrain der Rockies, doch Wintersportler kommen auch hier auf ihre Kosten: Piste, Tour, Langlauf, Schneeschuh, Snowmobil und sogar Heliskiing sind durchaus auch zwischen Mont-Tremblant und der Gespésie-Halbinsel möglich.

Der Plan: Eine Skisafari durch Québec, die eines Tages vielleicht im Katalog eines Reiseveranstalters zu finden ist. Denn an der Ostküste Kanadas gibt es neben viel Schnee und Spaß auch jede Menge Kultur und Gastfreundschaft, die einen Urlaub perfekt machen. Und das „Savoir vivre” in Québec hat seinen eigenen Charme. Außerdem dauert ein Nonstop-Flug von Frankfurt nach Montréal gerade einmal 8 Stunden.

Der Alte Hafen von Montréal, der größten Stadt Québecs (aber nicht die Hauptstadt) im Winter © Laurene Bath / Bonjour Québec

Bienvenue au Québec!
Es ist Mitte Februar. Nach einem angenehm kurzen Flug mit Air Canada von Frankfurt nach Montréal sammeln wir unser Gepäck ein und gehen vor die Tür. Es ist 19 Uhr und hat knackige -18 Grad. Willkommen im Winter, willkommen in der zweitgrößten Stadt Kanadas nach Toronto, gelegen am Sankt-Lorenz-Strom im südlichen Teil der Provinz Québec. Obwohl die Multikultistadt viel zu bieten hat, haben wir dieses Mal keine Zeit für sie. Unser für die Skisafari gemieteter Kleinbus wartet bereits, um uns in das 130 km entfernte Mont-Tremblant zu bringen. Der Skiort gleich neben dem gleichnamigen Nationalpark ist die erste Station unserer ungewöhnlichen Reise: Ob die Provinz hierfür die richtige Destination ist, werden wir in der nächsten Woche herausfinden. Eines ist sicher: Es ist kalt und hat jede Menge Schnee. Vorbei an haushohen Schneebergen geht es über verschneite Landstraßen durch die Nacht Richtung Norden.

First Tracks am Mont-Tremblant © Tremblant
First Tracks am Mont-Tremblant © Tremblant

Mont-Tremblant
Nach rund eineinhalb Stunden erreichen wir Mont-Tremblant. Der Ort, in den schon Ende der 1930er Jahre Skifahrer pilgerten, wurde in seiner heutigen Form 1991 von Intrawest erschlossen, einem großen Konzern, dessen Skigebiete in der Regel nicht natürlich gewachsen sind, sondern auf dem Zeichenbrett entwickelt wurden. Entsprechend erinnert der Ort Mont-Tremblant am Fuße des gleichnamigen Berges einer großen, autofreien Ferienanlage, was allerdings für einen Urlaub nicht von Nachteil ist: Alles ist zu Fuß erreichbar. Wohnt man nicht in einem der Ski-in/Ski-out-Hotels im oberen Ortsteil wie dem Fairmont Tremblant, steigt man einfach in die kleine Cabrio-Gondelbahn, die von der Talstation quer durch den Ort zu den Parkplätzen führt. Der historischen Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass Intrawest das Resort 2018 an ein anderes Unternehmen, Alterra Mountain, verkauft hat. Alterra besitzt 14 Skigebiete in Nordamerika, ist Herr über CMH Heliskiing und Herausgeber des „IKON“ Verbundskipasses.

Mont-Tremblant liegt in den Laurentiden, einer langgezogenen Bergkette nördlich von Montréal, die Teil des Kanadischen Schildes ist – raues, felsiges Gelände, das durch mehrere Eiszeiten geformt wurde. Aufgrund der vielen Berge befinden sich in den Laurentiden bis zu 40 kleine Skigebiete. Vielen bekannt als Austragungsort des Freestyle Ski Moguls World Cup, ist das größte Gebiet der Region – Tremblant – auch Heimat des kanadischen Alpinskirennläufers Erik Guay und seit 2001 Bühne des vom ehemaligen Formel 1-Fahrer Jacques Villeneuve ins Leben gerufenen Wohltätigkeitsrennens „24h Tremblant“. Abgesehen vom Skigebiet ist der Ort aber auch wegen des benachbarten Parc national du Mont-Tremblant bekannt. Er ist der älteste Nationalpark der Provinz Québec und mit 1.510 km² auch der größte.

Tremblant aus der Luft © Wolfgang Greiner
Der Ort Tremblant aus der Luft, links unten der Sessellift Richtung Skigebiet © Wolfgang Greiner

Um die Umgebung besser zu überblicken, gönnen wir uns einen kurzen Flug mit Héli-Tremblant. Im viersitzigen Hubschrauber, der auf einem zugefrorenen See auf uns wartet, geht es einmal über das Resort, die Pisten und Saint-Jovite, den größten und ältesten, ursprünglichen Teil der Gemeinde. Für rund CAN$ 120 pro Person ist man gerade einmal 10 Minuten in der Luft, aber die Pisten, die Orte und den Nationalpark einmal aus der Vogelperspektive zu sehen, sind diesen kleinen Luxus wert. Nach der Rückkehr geht es zum Entspannen in das Skandinavische Spa, bevor wir uns mit exzellenter Québecer Küche für den nächsten Tag stärken.

Blick vom Berggipfel auf den Lac Tremblant, im Dunst dahinter die schier unendlichen Hügel der Laurentiden © Gaëlle Leroyer / Bonjour Québec

Tremblant ist das größte Skigebiet in ganz Québec. Im Mittelpunkt steht der Mont-Tremblant, der mit insgesamt 14 Liften erschlossen ist. Von 102 markierten Pisten sind 49 als „very difficult“ eingestuft, 31 sind „difficult“ und 22 „easy“. Grundlegend ist das ganze Gebiet aber ein Traum für Pistencarver. Wenn es frisch geschneit hat, sollte man früh aufstehen und die unpräparierten schwarzen Pisten an der Nordseite fahren. Trotz seiner überschaulichen Höhe von gerade einmal 968 Metern bietet der Berg dabei einiges – nicht nur skifahrerisch: Neben den vielen Restaurants und Bars im Ort, die von der Talstation aus alle fußläufig zu erreichen sind, steht am Gipfel ein typisch nordamerikanisches, riesiges Selbstbedienungsrestaurant. Ein kleines Juwel dagegen ist die versteckt im Wald neben der schwarzen Abfahrt namens Laurentienne gelegene „Le Refuge du Trappeur“: Eine urige Berghütte, in der es jeden Tag ein anderes kleines, feines Speisenangebot gibt. Nicht selten greift der Wirt zur Gitarre und sorgt für Stimmung. An manchen Tagen werden sogar Fondue-Abende angeboten. Zur Wahl stehen dafür eine bequeme Fahrt mit dem Pistenbulli oder der Schneeschuh-Aufstieg mit Guide. Apropos Guide: Tagsüber sind überall im Skigebiet freiwillige Einheimische anzutreffen, erkennbar am großen Fragezeichen auf dem Rücken. Wer sich verfahren hat oder die besten Pisten sucht, kann sich jederzeit an sie wenden. Ein toller Service, den man sich auch in den Alpen vorstellen könnte.

Nach zwei angenehmen Skitagen packen wir unsere Sachen und verabschieden uns – nicht ohne ausgiebige Bierprobe in der Microbrasserie La Diable am frühen Abend – von Tremblant. Unser nächstes Ziel heißt Québec City. Müde von zwei Tagen Skifahren und dem gerade erst noch genossenen Craft Beer mit Poutine – das wohl bekannteste Québecer Gericht, bestehend aus Pommes, Käse und Bratensoße – lassen wir uns vom Fahrer unseres Kleinbusses in die rund dreieinhalb Stunden entfernte Hauptstadt der Provinz kutschieren.

Die Terrasse-Dufferin am Hotel Château Frontenac in Québec City, der Hauptstadt der Provinz. Rechts der mächtige Sankt-Lorenz-Strom © G. Leroyer

Québec City
Die Lage von Québec City an einer Flussenge des Sankt-Lorenz-Stroms und an den Ausläufern der Laurentinischen Berge, aus denen wir gerade kamen, ist geradezu perfekt für die unterschiedlichsten Aktivitäten zu jeder Jahreszeit. Dazu kommt die interessante Geschichte der Stadt, die vor allem von den Machtkämpfen zwischen den Franzosen und den Engländern im 17. und 18. Jahrhundert geprägt ist. Neben den berühmten Plains of Abraham, auf denen 1759 die entscheidende Schlacht stattfand, den von der UNESCO als Welterbe anerkannten Befestigungsanlagen, der Altstadt Vieux Québec oder dem ikonischen Hotel Château Frontenac, hat Québec City vor allem viel Kunst und eine hervorragende Küche zu bieten. Apropos Hotel: Wer auf jeglichen Luxus verzichten kann und das Besondere sucht, der sollte das Hôtel de glace ausprobieren. Von Januar bis März bietet das aus mehreren Zehntausend Tonnen erbaute Eishotel Unterkunft, Bar und sogar eine Hochzeitskapelle an.

Das berühmte Hotel Chateau Frontenac, Wahrzeichen der Stadt, von der Fähre aus. © Wolfgang Greiner
Das berühmte Château Frontenac, Wahrzeichen der Stadt, von der Fähre aus. © Wolfgang Greiner

Québec City ist der ideale Ausgangspunkt, um zwei der wichtigsten Skigebiete der Umgebung zu besuchen: Mont-Sainte-Anne, gut 35 km nördlich der Stadt gelegen, und Le Massif du Charlevoix, noch einmal rund 50 Kilometer weiter Richtung Norden. Natürlich gibt es auch Unterkünfte in den Orten rund um die beiden Skistationen (darunter ein nagelneuer Club Med an der Talstation von Le Massif), doch tagsüber Skifahren und abends die Stadt erleben ist ein Plan, der durchaus Sinn und Spaß macht. Unsere Gruppe genießt das luxuriöse Ambiente des ehrwürdigen Château Frontenac, in dem nicht nur Céline Dions Karriere begann, sondern neben zahlreichen Royals und Filmstars auch bereits Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill genächtigt haben. Ob sie alle in auch in den Genuss des Carnaval de Québec kamen, wissen wir nicht. Wir sind zufälligerweise an einem der letzten Tage dieser seit 1894 veranstalteten Feier in der Stadt und erkunden die Eisresidenz des „Bonhomme“, dem offiziellen Botschafter des größten Winterkarnevals der Welt, üben Zielwurf mit Äxten, lutschen an gefrorenem Ahornsirup am Stiel („Tire d’érable“) und lauschen Livebands, die – aufgrund der knackigen Temperaturen von locker -20° C – auf beheizten Bühnen hinter Glas spielen. Für das Publikum gibt es heiße Getränke und ein Mini-Eishockeyfeld zum Aufwärmen. Es ist ein unbeschwerter Abend in Québec City, der seine Fortsetzung am Tag darauf auf der Piste findet.

Der Blick von den Pisten in Le Massif auf den halbgefrorenen Sankt Lorenz © Wolfgang Greiner
Der Blick von den Pisten in Le Massif auf den halbgefrorenen Sankt Lorenz © Wolfgang Greiner

Le Massif de Charlevoix
Aufgrund der zahllosen Berge, zweier Nationalparks, vieler reizvoller Dörfer und der Lage am mächtigen St. Lawrence River kann man leicht verstehen, warum Charlevoix vor allem im Sommer ein sehr beliebtes Reiseziel für Einheimische wie auch internationale Besucher ist. Im Winter dagegen ist die Region international eher noch ein Geheimtipp, doch die neue, große Club Med-Anlage am Fuß des Skigebiets von Le Massif direkt am Ufer des Flusses lässt erahnen, dass sich das bald ändern könnte. Und es gibt noch viele weitere Gründe: Als UNESCO Weltbiosphärenreservat steht hier die Natur im Vordergrund – und mit ihr die unterschiedlichsten Outdoor-Aktivitäten für jeden Geschmack.

Angekommen am Parkplatz der „Talstation“, fragen wir uns, wo denn hier die Berge sind, und merken schnell: Le Massif ist „upside down“ – verkehrt herum. Man steigt ganz oben in das Skigebiet ein und fährt zunächst den Berg hinunter zum Flussufer des Sankt-Lorenz. Und genau das macht Le Massif so speziell: Die allgegenwärtigen Ausblicke auf den teilweise gefrorenen Strom, der sich langsam und kraftvoll nach Süden bewegt und unterwegs überflüssige Eisschollen ans Ufer drückt, die sich dann zu gefrorenen Wellen türmen. Dazu kommen 57 Pisten, die wie breite Bänder durch den Wald gelegt wurden, und fünf Lifte, darunter eine 8er Gondel (nicht mitgezählt: ein Übungshang am Parkplatz). 18 der Pisten sind schwarz („Diamond“), sechs mit „Double Diamond“ bewertet, eine sogar mit dem dreifachen Diamatzeichen. Dies liegt am teilweise wirklich steilen Gefälle und sicher auch an der schnellen Bildung von Buckeln, wenn einmal zwei oder mehr Tage kein Neuschnee fällt. Im letzteren Fall sollte man auch die Glades meiden – die Offpiste-Routen („Secteur Hors-Piste“) durch den Wald zwischen dem Skigebiet und der 7,5 km langen Rodelpiste an der Nordgrenze des Resorts. An Powdertagen sind diese allerdings ein echter Traum für Freunde des Tree Skiings. Nach einigen schneelosen Tagen kann man aber nur noch die eigene Buckel-Baum-Koordination austesten.

Powdern in den Glades von Le Massif de Charlevoix. Wenn der Neuschnee ausbleibt, sind hier die Buckelprofis unterwegs © Pierre Carbonneau / Bonjour Québec

Le Massif bietet übrigens einen Rekord für alle Skigebiete östlich der Rocky Mountains: Mit 770 Metern den größten Höhenunterschied, der von einem Lift bedient wird. Nicht schlecht für einen Berg mit gerade einmal 806 Metern Höhe. Und allen Zweiflern zum Trotz: Ja, zugegebenermaßen wird man hier nicht eine ganze Woche verbringen wollen. Ein Tag in Le Massif hinterlässt aufgrund des außergewöhnlichen Panoramas jedoch einen Eindruck, den man sein Leben lang garantiert nicht vergisst. Und sollte es gerade Neuschnee haben, bleibt man gerne auch noch den ein oder anderen Tag länger.

Nach unzähligen Fotos, vielen Bindungsauslösungen in den extrem buckligen Glades und jeder Menge langer Carvingschwünge belohnen wir uns mit einem Bier an der Bar der Lodge am Parkplatz und steigen dann wieder in unseren Bus zurück nach Québec City.

Mont Sainte-Anne
Am nächsten Tag fahren wir fast die gleiche Strecke wie am Vortag in Richtung Nordosten. Dieses Mal halten wir jedoch schon früher an: Das Skigebiet am Mont Sainte-Anne ist das größte Outdoor-Naherholungsgebiet der Stadtbewohner, die alpinen Flair zu jeder Jahreszeit suchen. Im Sommer sind hier vor allem die Mountainbiker zuhause, im Winter verwandeln sich der Ort und seine Berge zum Winter Wonderland mit zahlreichen Möglichkeiten zum Skifahren, Snowboarden, Langlaufen, Eisklettern, Schneeschuhwandern und vieles mehr. Anders als Le Massif bietet Sainte-Anne zahlreiche Unterkünfte, Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten. Wer also nicht in der Stadt nächtigen möchte, ist hier gut aufgehoben. Das Skigebiet gehört zu den Resorts of the Canadian Rockies, Kanadas größtem privaten Skigebietbetreiber, der neben optimalen Schneeverhältissen auch für das touristische Rundumpaket sorgt.

Mont Sainte-Anne bietet jedem das Richtige – einschließlich des Blickes auf den Sankt Lorenz © Charles Mercier / Bonjour Québec

Am Mont Sainte-Anne sind drei Seiten erschlossen, deren Hänge sich von 175 Metern bis maximal 800 Meter über dem Meer erstrecken. Auf der Nordseite liegen die einfacheren Pisten, die Südseite mit ihren Einsteigerpisten sowie anspruchsvollsten Double-Diamond-Abfahrten führt zur Talstation und auf der Westseite sammelt sich meist der beste Schnee an. Mont Saint-Anne ist perfekt für Carvingfans, ebenso aber auch für Anfänger. Sogar Freestyler sind hier gut aufgehoben, denn der großzügige Funpark lockt nicht nur Touristen, sondern auch den ein oder anderen Pro ins Gebiet. Auf der Südseite, die teilweise abends für Nachtskilauf beleuchtet wird, fährt man mit einem atemberaubenden Ausblick auf den mächtigen Sankt-Lorenz-Strom ins Tal. In die anderen Himmelsrichtungen verzaubert die verschneite Natur der Laurentiden und gibt dem Besucher einen Eindruck der unberührten Weite dieses Landes. Diese kann man dann auch mit Hundeschlitten, auf Langlaufskiern, Skidoos oder Schneeschuhen näher erkunden.

Nach einem erfüllten Skitag mit unendlich vielen Carvingturns fahren wir müde und zufrieden zurück in die Stadt. Die Straße folgt dem Sankt-Lorenz-Strom, dessen dicke Eisschicht sich hier kaum zu mehr zu bewegen scheint. Auf der anderen Seite liegt die Île-d’Orléans, die Québec City wie ein Schutzschild vor dem mächtigen Strom schützt. Die über 30 km lange Insel ist bekannt für ihre Landwirtschaft und ein beliebtes Freizeitziel im Sommer. Jetzt im Winter verschmelzen das Weiß der verschneiten Insel mit dem Eis des Flusses. Als es auch noch zu schneien anfängt, sind Himmel, Land und Wasser kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Schnee. Für unser nächstes Ziel überaus wichtig, doch hoffentlich sind die Straßen am nächsten Tag frei…

Alternativprogramm zum Lifteln in den Laurentiden: Tourengehen in den Chic-Chocs auf der Halbinsel der Gaspésie © Pierre Carbonneau / Bonjour Québec

Gaspésie & Les Monts Chic-Chocs
Es ist eisig kalt, als wir um 5 Uhr morgens vor dem Hotel in den Bus steigen. Noch immer rieseln ein paar winzige Schneeflocken vom Himmel, der Himmel ist grau und liegt schwer über der Stadt. Während sich unser Kleinbus zunächst durch die verschneiten Häuserblocks und schließlich in nordöstlicher Richtung über den schneebedeckten Highway Richtung Gaspésie bewegt, lassen wir den bisherigen Trip noch einmal Revue passieren. Denn mit Skigebieten und Zivilisation ist nun Schluss. Im Herzen der Chic-Chocs, einem nördlichen Ausläufer der Appalachen, der sich über die gesamte Halbinsel erstreckt, gibt es gerade einmal zwei Unterkünfte.

Hat man die Straße entlang des Sankt-Lorenz in dem kleinen Ort Sainte-Anne-des-Monts an der Nordküste der Gaspésie verlassen und taucht in die Berge, den Parc national de la Gaspésie und die Réserve faunique des Chic-Chocs ein, ist man ganz weit weg vom Weltgeschehen. Im Carounde Ski Shop in Sainte-Anne leihen wir uns breite Tourenski mit Pin-Bindung, Tourenschuhe und LVS-Ausrüstung, denn ab jetzt heißt es „Earn your turn“. In den Chic-Chocs gibt es so gut wie keine Lifte. Zwar werden an einigen Orten Cat Skiing und sogar Heliskiing angeboten, jedoch nicht im Nationalpark. Während die Schneeberge links und rechts der Straße immer höher werden und die Sonne langsam wieder untergeht, kommen wir endlich an der Gite du Mont Albert am Eingang zum Nationalpark an. Sie ist neben der Auberge de montagne des Chic-Chocs die einzige Möglichkeit, direkt in den Bergen zu nächtigen.

Earn your turn. Erst mit dem Snowmobile in die Täler, dann mit Muskelkraft nach oben © Wolfgang Greiner
Earn your turn. Erst mit dem Snowmobile in die Täler, dann mit Muskelkraft nach oben © Wolfgang Greiner

Der nächste Morgen ist kalt, kälter als je zuvor. Das Thermometer im Besucherzentrum des Parc national de la Gaspésie zeigt -26 Grad – Windchill nicht mit eingerechnet. Unsere einheimischen Guides, Guillaume und Philip, geben uns eine erste Einweisung in die Region und ihre Besonderheiten. Vielleicht sehen wir Elche, wenn wir unterwegs sind. Immerhin gibt es hier statistisch 3,5 der mächtigen Tiere pro Quadratkilometer. Und vielleicht müssen wir unsere Lawinenausrüstung benutzen. Die Gruppe ist sich der Gefahr bewusst und weiß, wie man mit LVS, Sonde und Schaufel umgeht. Schnell bekommt jeder noch eine Thermoskanne mit heißem Tee und ein paar Heat Pads für die Handschuhe. Dann geht es aufs Schneemobil. Der Einstieg zu unserer ersten Tour liegt in einer alten Minengegend, den Mines Madeleine, gut 40 Minuten entfernt.

Es ist windig geworden. Mit dem zusätzlichen Fahrtwind schätzt Guillaume, dass es -40 Grad oder weniger hat. Die Batterie der GoPro quittiert nach 10 Minuten ihren Dienst. In den Mines Madeleine angekommen, sind wir steifgefroren. Eine Hütte macht Hoffnung auf einen warmen Ofen, doch Philip muss uns enttäuschen: Sie ist übers Wochenende privat vermietet. Da hilft nur Bewegung. Der Schritt vom Snowmobil in den Schnee stellt sich als Fehler heraus: Sofort versinke ich bis zum Bauchnabel. Guillaume und Philip beschließen, die Tour zu canceln. Zwar sehen die Berge rund um die Mine mit ihren breiten Hängen und Bowls über der Baumgrenze einladend aus, doch das Lawinenrisiko ist hoch – und es ist vor allem zu kalt. Die Guides beschließen, zu einem anderen Spot zu fahren. Von dort können wir mehrere Aufstiege durch den Wald machen und haben dennoch einigermaßen lange Runs.

Kälte neu definiert: Für Europäer eher ungewöhnlich, aber -40 Grad bei trockener Luft sind bei passendem Outfit gut auszuhalten © Wolfgang Greiner
Kälte neu definiert: Für Europäer eher ungewöhnlich, aber -40 Grad bei trockener Luft sind mit dem passenden Outfit gut auszuhalten – und der Schnee ist mächtig locker! © Wolfgang Greiner

Es geht zurück aufs Schneemobil, noch einmal 20 Minuten auf eingeschneiten Wegen durch den Wald. Endlich angekommen, sind nicht nur unsere Knochen gefroren. Selbst die Felle bekommen wir kaum auseinander. Endlich fertig und aufgefellt, geht es los. Wir spuren gut zweieinhalb Stunden durch den Wald, über eine alte Lawinenschneise und weiter durch die Bäume. Dann sind wir endlich oben angekommen. Obwohl der Wind vom Wald deutlich abgeschwächt wird, ist es immer noch frostig. Es ist ein einmaliges, beeindruckendes Erlebnis, auch wenn wir keinen Elchen begegnen. Nach einer kurzen Pause am höchsten Punkt des namenlosen Bergrückens ziehen wir die Felle vom Ski und schließen die Bindungen. Der Wind frischt wieder auf. Guillaume schätzt, dass es nun unter -45° hat. Die ersten Schwünge verheißen Gutes: Leichter Powder, keine Spuren. Ich schreie vor Freude, auch wenn die tiefgefrorenen Haare meines Bartes dies kaum ermöglichen. Auf der Hälfte der Abfahrt hole ich die Kamera unter der Jacke hervor. Nach vier Fotos geht nichts mehr. Game over für den Akku. Ich erwäge kurz, die Ersatzakkus auszupacken, doch es ist kalt, der Schnee ist tief, das Risiko, etwas zu verlieren, zu hoch. Ich beschließe widerwillig, einfach nur zu genießen und schiebe wieder an. Vier Minuten später stehe ich bereits an den Schneemobilen. Es war eine kurze Abfahrt, aber sie war wie kaum eine zuvor. Einer nach dem anderen kommt die Gruppe unten an. Wir geben High Five und sind zufrieden. Guillaume sieht auf sein Thermometer, dann auf die Uhr. Das war’s. Wir schaffen keine zweite Tour, es ist zu kalt und wird bereits spät. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder ärgern soll.

Kaum Schneemangel in den Chic-Chocs: Die Halbinsel Gaspésie ist der perfekte Ort für Winterabenteurer © Pierre Carbonneau / Bonjour Quebec

Zurück im Hotel feiern wir im Schatten des mächtigen Mont Albert einen außergewöhnlichen Tag und eine insgesamt gelungene Skisafari. Wir hätten uns mehr Touren gewünscht, mehr Zeit, besseres Wetter. Aber es war etwas Neues, nicht ganz Alltägliches. Von unseren Guides erfahren wir, dass in anderen Ecken der Chic-Chocs (außerhalb des Nationalparks und der Naturschutzgebiete) auch noch bequemere Skiabenteuer angeboten werden: In Murdochville am Mont Miller ist tatsächlich ein Skigebiet und bei Chic Chac lassen sich sogar Heli- und Catskiing buchen. Nun, im Moment würden wir unsere Kälte-Tour in der Abgelegenheit des Nationalparks nicht dafür eintauschen wollen, doch vielleicht das nächste Mal…?

Wir sind echte Fans des Ostens geworden, seiner Berge, seiner Menschen, seiner Küche. Vielleicht steht unsere Reiseroute ja eines Tages in einem Katalog. Bis dahin bleibt sie ein Geheimtipp – für uns und die Québecer, die uns mit offenen Armen willkommen geheißen hatten. Und wer ob der Sprache vor einer Reise in diesen wunderschönen Teil Nordamerikas zurückschreckt: Überall, wo die Menschen vom Tourismus leben, ist man mit Englisch bestens aufgehoben. Und da, wo es etwas einsamer wird, sprechen wir dann doch alle eine gemeinsame Sprache: Das Skifahren. Vielleicht die beste Sprache der Welt.

Alle Infos zu Québec als Urlaubsdestination zu jeder Jahreszeit gibt es hier: www.bonjourquebec.com

Wildlife inklusive: Québec ist ein lohnenswerte Winterdestination für alle, die es gerne etwas "wilder" mögen © Éric Deschamps / Québec Maritime
Wildlife inklusive: Québec ist ein lohnenswerte Winterdestination für alle, die es gerne etwas “wilder” mögen © Éric Deschamps / Québec Maritime